Ein Kolumbianer namens Henry

Das ist Henry. Henry ist 38 Jahre alt. Henry lebt in Marinilla in Kolumbien. Henry mag Deutschland. Und wenn er mal ein paar Deutsche auf den Straßen seiner Stadt herumirren sieht, hilft er ihnen gern. Das allein ist für Kolumbien noch nicht wirklich ungewöhnlich. Dass er uns allerdings auf Deutsch anquatschte und wir nicht nur den Abend mit ihm verbrachten und er uns am nächsten Tag noch mit zu ein paar Freunden nahm, kam bis dato noch nicht vor. Ist aber auch noch im Rahmen des Vorstellbaren. Aber wieso kann der eigentlich Deutsch? Und dann auch noch erstaunlich gut? Was soll ich sagen: Jetzt wird’s dann schon „interessant“. Wenn man nämlich erfährt, dass er in exklusiven Städten wie Rostock und Eberswalde studiert hat. Und wieso eigentlich Öko-Landbau??? Die Krone des Ganzen: In Sachsen war er auch. Okay, kann man mal hinfahren. Was aber hat er da gemacht? Kommt keiner drauf – ist zu absurd: Einen Deutschkurs. Und wie gesagt, er sprach wirklich sehr gut deutsch. Henry ist außerdem mein bester kolumbianischer Freund. Er hat mir nämlich was geschenkt, was ich sehr gerne als Souvenir mit nach Hause nehmen wollte: eine wunderschöne Machete – ist allerdings noch ungeschliffen. Werde sie schleifen lassen und mich bei nächster Gelegenheit damit auf ein Zuckerrohrfeld begeben!

Marinilla war die drittletzte Station unserer Reise durch Südamerika. Also keine große Erwähnung wert. Vom Umland hat Roman allerdings sehr schöne Bilder gemacht. Sieht wohl n bisschen aus wie Potsdam oder die Mecklenburgische Seenplatte. Landschaftlich also ein Highlight wie vieles in Kolumbien, wenn man es durch die Wolken und den Nebel sehen kann. Hatten da nicht immer Glück… Überhaupt: das Wetter. Als unflexible Menschen kamen wir mit dem Bekleiden unserer Astralkörper kaum hinterher. Der Regen kam gewöhnlich schneller und heftiger als erwartet und vor allem bevor wir unsere Regenklamotten anziehen konnten. Also haben wir sie anschließend angelassen – könnte ja regnen – und quälten uns dann folgerichtig bei gefühlten 200°C. Was vor allem an Besichtigungspunkten zu erheblichen Schweißausbrüchen führte. Also alles wieder ausgezogen, um dann auf dem Weg über den Pass festzustellen, dass es mit Inlays vielleicht ein wenig wärmer gewesen wäre. Heikki würde sagen: „It is hard to be an overland motocyclist!“

Nach Calí (unschöne Stadt, aber gut, wenn man Mopedteile braucht) hatten wir große Lust auf Natur und Landschaft. Keine Lust hatten wir auf Bogotá oder Medellín. Also haben wir diese Städte ausgelassen. Dafür haben wir viele Kaffee- und Bananenpflanzen sowie Zuckerrohfelder gesehen. In zwei Vergnügungsparks sind wir gewesen. Kolumbianer lieben es offenbar, bei jeder Gelegenheit Karussells aufzustellen. Man kann sich aber auch einfach das dazugehörigen Kaffeemuseum oder die ehemalige Hacienda des Drogenbosses Pablo Escobar anschauen – heißt passenderweise „Hacienda Napolés“. Ersteres geriet allerdings zu einer Werbeveranstaltung für die Vereinigung der kolumbianischen Kaffebauern und letztere (für meinen Geschmack) ein wenig zu sehr zur Belobigung des Staates als Sieger eines jahrelangen Drogenkrieges. Kann man aber bei der Zahl der größtenteils unschuldigen Opfer auch wieder irgendwie verstehen. Egal. Gezeltet haben wir, dabei aber nicht geschlafen. Erst die Hitze und dann ein vierstündiger Sturzregen. Schlecht, wenn das Zelt nicht dicht ist. Dann haben wir Henry getroffen, der mit uns nach Copacabana gefahren ist. Das liegt so steil den Berg runter, dass Jana und ich gleichzeitig eine neue Motorraderfahrung machen durften: das plötzliche Aussetzen der Hinterradbremse wegen Überhitzung. Es gibt schöneres. Und jetzt sind wir in Cartagena. Die Stadt sei allen Freunden schöner Altstädte ans Herz gelegt, denen es egal ist, dass die Bewohner sie als Kunden betrachten. Eigentlich ist sie wirklich schön!

Morgen heißt es dann Abschied nehmen von einem Kontinent, den wir lieb gewonnen haben, mit all den Ecken und Kanten, die er hat. Gleichzeitig hoffen wir, dass uns die Stahlratte über ruhige Wasser nach Zentralamerika tragen möge.

Patrick


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